Verbindliche Hilfen brauchen Zeit zu greifen
Der Fall zeigt zum einen, wie wichtig und hilfreich das soziale Netz sein kann und zum anderen, dass es wichtig ist, so lange in Kontakt zu bleiben, bis verbindliche Hilfen greifen, vor allem bei hochbelasteten Familien.
Die Babylotsin lernte die Schwangere in einer gynäkologischen Praxis kennen. Der vorab ausgefüllte Anhaltsbogen ergab einen Beratungsbedarf. Die geschulte medizinische Fachangestellte führte ein erstes Gespräch und entschloss sich die Babylotsin hinzuzuziehen.

Diese kam zur nächsten Vorsorgeuntersuchung der Schwangeren dazu, da es vorab Probleme gab, Kontakt zu der Frau aufzunehmen.
Im Gespräch deckte sich die Wahrnehmung der Babylotsin mit der des Praxispersonals. Die Schwangere wirkte in sich gekehrt, einsilbig und sehr belastet. Nach einem langen Gespräch stellte sich heraus, dass die Beziehung zwischen den Eltern sehr konflikthaft war. Es gab bereits ein gemeinsames Kind im Kleinkindalter. Die Kindsmutter war nach der Geburt des ersten Kindes auf den Wunsch des Kindsvaters aus ihrer Heimatstadt zu ihm gezogen. Sie war damals noch sehr jung.
Im Verlauf des Gesprächs wurde deutlich, dass ein Abhängigkeitsverhältnis vom Kindsvater bestand und psychische Gewalt vorlag. Das Paar hatte sich bereits getrennt, lebte aber noch in einer gemeinsamen Wohnung. Die Schwangere fühlte sich sozial isoliert, hatte kein eigenes Geld zur Verfügung und wirkte psychisch sehr belastet. Eine Rückkehr in ihre Heimatstadt war finanziell nicht möglich. Auch bei ihren Eltern konnte sie nicht unterkommen, da die Wohnverhältnisse beengt waren.
Nachdem die junge Frau erst nicht offen für Hilfsangebote war, willigte sie am Ende des Gesprächs ein, dass die Babylotsin Kontakt zu einer Familienhebamme herstellen würde.
Im weiteren Verlauf wiederholte sich die Situation: die junge Frau war nicht erreichbar, sowohl für die Familienhebamme als auch für die Babylotsin. Die Babylotsin besprach sich mit der zuständigen Gynäkologin, damit auch diese die Schwangere motivierte, die vorhandene Hilfe anzunehmen. Parallel beriet sich die Babylotsin mit KollegInnen.
Erneut kam die Babylotsin zur nächsten geplanten Vorsorgeuntersuchung dazu. Die Schwangere berichtete flüsternd und ängstlich, dass sie plane, den Kindsvater zusammen mit ihrem Kind heimlich zu verlassen und zu ihren Eltern zu ziehen. Alles sei vorbereitet. Ihr Handy würde sie in der Wohnung lassen, um nicht geortet zu werden. Die Babylotsin erhielt eine Telefonnummer unter der sie die Kindsmutter erreichen könnte. Weitere Unterstützung für die ausstehende Zeit lehnte sie jedoch ab.
Nachdem die Kindsmutter bei ihren Eltern angekommen war, versuchte die Babylotsin mehrfach Kontakt zu den Babylotsinnen und den Frühen Hilfen vor Ort herzustellen. Dieses funktionierte jedoch nicht. Gleichzeitig zeigte sich, dass die Eltern und die Familie der jungen Frau eine große Unterstützung waren und sie sehr entlasteten. Das zweite Kind kam in einer Klinik zur Welt, in der es keine Babylotsinnen gab. Der Kindsvater suchte weiterhin den Kontakt und meldete sich immer wieder.
Die Babylotsin telefonierte regelmäßig mit der jungen Frau und ihrer Mutter. Letztere entschied, sich beim Jugendamt zu melden. Ihr war klar, dass ihre Tochter mit den Kindern Unterstützung brauchte, die die Familie auf Dauer nicht gewährleisten konnte. Es fanden mehrere Hausbesuche statt und auch die Babylotsin durfte sich, mit Einverständnis der jungen Mutter, mit der Jugendamtsmitarbeiterin austauschen.
Im Gespräch teilten Babylotsin und ASD-Mitarbeiterin den Eindruck, dass die Kindsmutter eine verbindliche Hilfe bräuchte. Die Jugendamtsmitarbeiterin wollte erwirken, dass ein entsprechender Antrag auf Hilfen zur Erziehung unterschrieben wird.
Zu diesem Zeitpunkt zog sich die Babylotsin aus der aktiven Unterstützung der Familie zurück. Das Jugendamt übernahm die Fallverantwortung. Die Familie war auf einem guten Weg.