Kreißsaal geschlossen, und nun?
„Als ich den Kooperationsvertrag in die Praxis gebracht habe, wurde ich freudestrahlend empfangen.“ (Frances Stern, Babylotsin)
„Kann es jetzt endlich losgehen mit dem Programm Babylotse?“ (Praxismitarbeitende Kinderarztpraxis Sömmerda)
„Meine Tochter wurde auch von einer Babylotsin im Klinikum Sömmerda beraten. Obwohl sie selbst im sozialen Bereich arbeitet, konnte sie Neues und Hilfreiches erfahren.“ (Rückmeldung eines Mitgliedes des LSZ-Ausschusses)
Eigentlich war alles anders geplant – wie so oft bei einem neuen Kind. Nur dass es in diesem Fall kein Baby ist, um den es in dieser Geschichte geht, sondern um einen Lotsendienst im thüringischen Sömmerda. Aber von Anfang an…
Schon 2021 begann der DRK Kreisverband Sömmerda/Artern e. V. mit den Vorbereitungen für einen Lotsendienst in der Geburtshilfe des örtlichen KMG Klinikum Sömmerda, der einzigen Geburtsklinik im Landkreis mit jährlich rund 200 Geburten (2022) bei rund 70.000 Einwohnern. Durch die Unterstützung des örtlichen Jugendamts sowie die Beratung von SeeYou war das Projekt recht zügig und glatt auf die Beine gestellt worden, drei Babylotsinnen bzw. Leitungskräfte ausgebildet, der Kooperationsvertrag mit der Klinik erarbeitet und die Finanzierung anfänglich durch Aufholen nach Corona, ab Januar 2023 dann durch das Landesprogramm solidarisches Zusammenleben der Generationen sichergestellt
Ab August 2022 begann die Arbeit in der Klinik, doch bereits kurz nach Projektstart musste der Kreißsaal im Dezember für mehrere Wochen aufgrund eines außerordentlich hohen Krankenstands bis Januar 2023 schließen. Um nicht untätig zu bleiben und trotz der Schwangeren sowie frisch entbundenen Müttern und ihren Kindern zu helfen, knüpften die Babylotsinnen Frances Stern und Anica Striene recht bald Kontakte zu niedergelassenen Frauen- und Kinderärzt*innen. Das war ein kluger Schritt, wie sich kurze Zeit später herausstellen sollte.
Am 1. Juli dann die böse Überraschung: Die Presse berichtet, dass der Kreissaal in Sömmerda für immer geschlossen werde, Schuld seien Personalmangel und sinkende Geburtenzahlen, zuletzt kaum mehr als 200 im Jahr. Glück im Unglück, dass SeeYou auch hier wieder mit einer langen Expertise bei Lotsendiensten auch bei niedergelassenen gynäkologischen und pädiatrischen Arztpraxen helfen konnte. Inzwischen sind die beiden Babylots*innen mit insgesamt 5 Arztpraxen über eine Zusammenarbeit im Gespräch, je ein Pädiater und ein Gynäkologe hat sich bereits die Unterstützung der Lots*innen per Kooperationsvertrag gesichert, 3 weitere Praxen haben Interesse signalisiert. Zuträglich war dafür, dass Babylots*innen und Ärzt*innen sich bereits über die Beratungsstelle in Sömmerda kannten und schon mehrfach Fälle übernommen und bearbeitet hatten.
Die Zeit, in der der Kreißsaals immer mal geschlossen war, nutzen die Babylots*innen vorausschauend dazu, sich in den umliegenden Geburtskliniken vorzustellen und Flyer zu übergeben. Bisher läßt sich auch darüber ausschließlich Positives berichten – die ersten Überleitungen haben bereits stattgefunden, ebenso wie ein regelmäßiger Informationsaustausch und Fallbesprechungen. Den Babylots*innen ist ein regelmäßiger Kontakt und Austausch nach Schließung des Kreißsaals besonders wichtig. Dies schafft für alle Beständigkeit und Sicherheit.
Ein Einzelfall? Sömmerda ist nicht die erste Klinik im ländlichen Raum, die ihre „unrentable“ Geburtshilfe schließt. Der allseitige Fachkräftemangel, die Klinikreform und die Vorstellungen von Regierung und Krankenkassen lassen die Schlussfolgerung zu, dass sich diese Geschichte immer häufiger wiederholen wird. Wie gut, dass es Babylots*innen gibt, die sich flexibel zu helfen wissen, um Familien zu unterstützen – ob mit oder ohne Geburtsklinik!